Lehrerinnen-Zölibat

16 Mai

Im Zuge der bürgerlichen Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts kämpften die Bürgerinnen für den Zugang zu einer besseren Bildung. So konnten Ende des 19. Jahrhunderts Frauen als  Lehrerinnen (später auch Bürokräfte oder Krankenschwestern) arbeiten. Diese Alternative zur Ehe wurde von den Frauen selbst durchaus als Emanzipation gesehen.

Schloss eine berufstätige Frau allerdings eine Ehe, erfolgte sofort die Kündigung. Zudem verfielen alle Ansprüche auf ein Ruhegeld. Diesen Aspekt nennt man „Lehrerinnen-Zölibat“.

Lehrerinnen

  • mussten unverheiratet (das Fräulein) sein
  • verdienten weniger als Männer
  • mussten 10 % mehr Lohnsteuer bezahlen

Diese rechtliche Regelung galt seit 1880 im Deutschen Reich, wurde dann auf Antrag der SPD in der Weimarer Verfassung von 1919 in Artikel II abgeschafft. Aus arbeitsmarktpolitischen Gründen wurde die alte Regelung jedoch 1923 wieder eingeführt. Hintergrund war, dass die Berufstätigkeit von (verheirateten) Frauen in wirtschaftlich schweren Zeiten nicht geduldet war. So wurden zum Beispiel verheiratete Beamtinnen entlassen. Das Lehrerinnenzölibat erwies sich also als arbeitsmarktpolitisches Instrument, mit dem flexibel auf die jeweilige Arbeitsmarktsituation reagiert werden konnte.

Drittes Reich

Im 3. Reich wurden die Lehrerinnen zunächst herabgestuft, d.h. fast alle Schulleiterstellen wurden mit Männern besetzt. Viele Gymnasiallehrerinnen durften nur noch in den Unterstufen der Mädchenschulen oder in den Volksschulen unterrichten. Das änderte sich während der Zeit des Krieges, als viele Männer als Soldaten an der Front waren. Die Entlassung von Lehrerinnen bei einer Heirat wurde nur noch als eine „Kann-Bestimmung“ betrachtet. Aber die Gehaltskürzungen blieben erhalten.

Feminisierung eines Männerberufes

1950 betrug der Frauenanteil an den Schulen schon 50 Prozent, in den Leitungsfunktionen 13 %. Das Lehrerinnen-Zölibat galt bis 1951. In Baden-Württemberg wurde es erst 1956 abgeschafft. Zur Erläuterung: 1958 gab es eine weibliche Beschäftigungsquote von insgesamt 34 %, wobei die der verheirateten Frauen etwa mit der der 20-er Jahre zu vergleichen war, also erheblich niedriger lag.

Der erste Frauenberuf: Lehrerinnen im 19. Jahrhundert

Während eine bezahlte Berufstätigkeit für die Frauen des unteren und mittleren Standes schon längst Realität geworden war, schickten die Bürgerlichen ihre Töchter zumeist auf private höhere Töchterschulen, die kostenpflichtig waren. Die Mädchen der unteren Schichten besuchten dagegen in der Regel die staatlichen Elementarschulen (Volksschulen). Nach dem Besuch der Schule stellte sich dann die Frage: Was sollten die unverheirateten jungen Frauen tun? Sie verdingten sich als Dienstmädchen oder Fabrikarbeiterin, während die reichen Töchter sich im Elternhaus aufhielten und auf einen passenden Ehemann warteten. Als Alternative bot sich der Besuch einer höheren Töchterschule an, die den Mädchen durchaus das Rüstzeug für einen Beruf mitgaben.

In den 50-er Jahren des 19. Jahrhunderts erhielten die jungen Damen Unterricht in Deutsch, Französisch, Rechnen, Geographie, Schönschreiben und Handarbeiten. Dennoch wurde von der bürgerlichen Schicht die Bildung für Frauen in erster Linie als Bildung und nicht als Berufsbildung angesehen. (Quelle: Gudrun Wedel, Lehren zwischen Arbeit und Beruf – sie stützt sich auf Quellen wie Biografien, Briefe und Tagebücher).  Ein Drittel der Seminaristinnen in Lehrerinnenseminaren gab in ihrem Bewerbungsschreiben, dem ein Lebenslauf zugefügt werden musste, an, dass der Vater verstorben und dass viele Geschwister in den Familien vorhanden waren. Für viele Frauen bildete der Beruf der „Lehrerin“ jedoch lediglich eine Überbrückungszeit bis zur Ehe; daher war eine länger andauernde Lehrtägigkeit eher die Ausnahme.

Ausbildung zur Lehrerin

Während in den Jahrhunderten zuvor überwiegend Nonnen oder auch Beginen Lehrtätigkeiten verrichteten, nahm im 19. Jahrhundert  die bezahlte Lehrerinnentätigkeit stetig zu. Lehrerinnen wurden aber sehr häufig selbst an den Mädchenschulen nur in der Unterstufe eingesetzt. In Preußen galt seit 1859 das Gesetz, an öffentlichen und privaten Schulen nur noch geprüfte Lehrkräfte zuzulassen. In Kaiserswerth hatte Theodor Fliedner schon 1844 ein Seminar für Elementarlehrerinnen gegründet. Dort wie auch an den anderen Seminaren für angehende Lehrerinnen legten diese nach zwei Jahren die „Reifeprüfung“ ab. Es war auch möglich, eine sogenannte Externenprüfung abzulegen.

Lehrerinnen aus dem Ausland

Viele Bewerberinnen hatten zuvor schon Erfahrungen als Hauslehrerin gesammelt und konnten Auslandsaufenthalte vorweisen, was dem Fremdsprachenunterricht zugute kam.  Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich viele Frauen aus dem Ausland bewarben  (z.B. Schottland, Österreich). Das zeigt, wie mobil die jungen Frauen in Europa zu diesem Zeitpunkt waren. Allerdings ist festzustellen, dass zur Wende zum 20. Jahrhundert diese ausländischen Lehrerinnen zunehmend ausgegrenzt wurden. Quelle: www.europa.clio-online.de (Themenportal Europäische Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin)

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